Vor einem Jahr hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML auf dem Zukunftskonferenz Logistik in Dortmund den Förderbescheid – 25 Millionen Euro über drei Jahre – für das Vorhaben »Silicon Economy« überbracht. Aufgrund des vorgezogenen Maßnahmenstarts im Mai des Jahres können die Projektverantwortlichen jetzt bereits Halbzeitbilanz ziehen: Mehr als 100 Mitarbeitende des Instituts haben in den vergangenen 18 Monaten ihre Zeit und Energie in das ehrgeizige Open Source-Projekt gesteckt. Insgesamt neun Entwicklungsprojekte zu ganz konkreten Themen aus Transportlogistik und Supply Chain Management wurden aufgesetzt, fünf davon konnten bereits erfolgreich abgeschlossen werden. »Die Bereitstellung der ersten Quellcodes und Baupläne von Fach- und Plattformkomponenten für die neue digitale Infrastruktur der Logistik steht kurz bevor. Damit wird ein weiterer wesentlicher Meilenstein des Projekts erreicht«, erklärt Dr. Michael Schmidt, verantwortlich für die Strategieentwicklung im Projekt, mit Blick auf den erneut digitalen Zukunftskongress Logistik 2021, der morgen beginnt.

Zu den konkreten Entwicklungen der »Silicon Economy« gehören insbesondere Komponenten für sogenannte Commodity-Services in der Logistik. »Damit sind Dienste gemeint, die von einem breiten Kreis an Unternehmen eingesetzt werden und nicht marktdifferenzierend sind« so Andreas Nettsträter, im Projekt für Netzwerk und Wissenstransfer zuständig. Trotzdem entwickelt heute noch jedes Unternehmen eine ressourcen- und kostenintensive eigene Lösung. Die Open Source-Komponenten aus der »Silicon Economy« stehen nun allen Unternehmen gleichermaßen und kostenfrei zur Verfügung. Sie können sie in ihre IT-Infrastruktur bzw. ihre Plattformen einbetten, neue Dienste begründen oder vorhandene Dienste weiterentwickeln und so zum einen ihre internen Prozesse optimieren und zum anderen neue Geschäftsmodelle realisieren. 

Zahlreiche Bausteine für die Plattformökonomie von morgen entwickelt 

Das Spektrum der Dienste, die die Silicon Economy adressiert, ist breit: Es reicht von Komponenten für einen »e-Palettenschein« im digitalen Ladungsträgertausch über einen »KI-basierten ETA-Service« im LKW-Transport bis zur »Dynamischen Pause« für eine effizientere Arbeitsorganisation im Lager. Mit der »Wrapper Toolbox « als Einstiegspunkt in die International Data Spaces haben die Forschenden zudem den Grundstein für die Sicherheit und Souveränität von Daten gelegt, die zukünftig in der Silicon Economy über Plattformen ausgetauscht werden. Neben den Softwarekomponenten sind auch Hardwarekomponenten entstanden. Dazu gehören eine blockchainfähige Transportbox sowie ein robustes Tracking Tool, der »Sensing Puck«.

Open Source und Open Ideation werden zum neuen Paradigma der Logistik 

Über die konkreten Entwicklungen hinaus ist es ein Verdienst der Beteiligten im Projekt, in der Logistik ein Bewusstsein für die Bedeutung von Open Source und Open Ideation geschaffen zu haben. Bei vielen Unternehmen hat sich inzwischen die Überzeugung durchgesetzt, dass offene Lösungen zum Gamechanger in der Digitalisierung der Logistik werden können – gerade auch für kleine und mittelständische Unternehmen. In den Entwicklungsprojekten werden die Anforderungen an die Komponenten so früh wie möglich mit den Erwartungen der Industrie abgeglichen. »Immer mehr Unternehmen beteiligen sich auch direkt an den Projekten: Open Source und Open Ideation sind zum neuen Paradigma der Logistik geworden«, freut sich Christian Prasse, der das Community-Management leitet. So sind etwa am Entwicklungsprojekt »Supply Chain Execution«, in dem die erste vollständige vernetzte Silicon Economy-Plattform anhand einer konkreten Lieferkette entsteht, die Unternehmen Schenker, SICK AG, Würth und die Commerzbank beteiligt. Aber auch kleine und mittlere Unternehmen engagieren sich in der Community – und profitieren von ihr: Das Dortmunder Start-up »Logistikbude« beispielsweise nutzt eine Komponente des e-Palettenscheins für seine innovative Plattform zum Ladungsträgermanagement.

Im Rahmen der Kampagne »I am a silicon economist« haben sich neben den Professoren der Fraunhofer-Institute IML und ISST, Michael ten Hompel, Michael Henke und Boris Otto, inzwischen auch zahlreiche Persönlichkeiten aus der Logistikwirtschaft hinter das Vorhaben gestellt.