Der Anteil der Leerfahrten im gewerblichen Straßengüterverkehr steigt in Deutschland kontinuierlich an: 2022 fuhren laut Statistischem Bundesamt fast 38 Prozent der Lkw – und damit jedes dritte Fahrzeug – ohne Fracht von A nach B. 2014 war es nur jeder fünfte Lkw. Durchschnittlich sind danach Lkw nur zu 50 Prozent beladen. »Ob im Verkehr zwischen Hubs oder auf dem Weg vom Hub zum Verbraucher: Zu viele Lkw transportieren hierzulande zu viel Luft – und genau die wollen wir jetzt aus den Laderäumen lassen«, sagt Jonas Stenzel, verantwortlich für das Projekt Volumenvermessung in der Open-Source-Community »Computer Vision« des Forschungsprojekts Silicon Economy. Die Forschenden gehen das Problem von zwei Seiten an: In ihrem ersten Use Case zur Erfassung von Freivolumen im Lkw steht das Fahrzeug im Mittelpunkt, in einem zweiten Use Case zur Bestimmung von Packstückabmessungen die Fracht. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Einsatz von 3D-Sensoren, die Leerraum oder Waren erfassen. 

Use Case 1: Wie voll ist der LKW?

Die Verladung von Paketen und Gütern ist heute noch immer ein stark manueller Prozess. Transportplaner wissen oft nicht, wie viel Ladung ein Lkw tatsächlich mit sich führt bzw. ob die Ladung das Fahrzeug ausfüllt. In der Folge werden vorhandene Ladekapazitäten nicht ausgenutzt oder für den Transport vorgesehene Ladungsträger können wegen mangelnder Kapazitäten nicht – wie vorgesehen – mitgenommen werden. Daraus folgen Ineffizienzen – von erhöhten Planungs- und Dispositionsaufwänden bis hin zu Störungen von Wertschöpfungsketten. Bislang gibt es für eine Vermessung des Freiraums aber auch noch keine adäquate Lösung. 

Die Forschenden der Silicon Economy wollen die Auslastung nun durch 3D-Sensorik genau erfassen – und zwar sowohl beim Beladungsprozess als auch während der Fahrt. So können Unternehmen die Auslastung der Fahrzeuge monitoren und optimieren. »Unser Projekt ist technisch sehr anspruchsvoll: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass die Lösung sehr genau ist, dass die Messungen sehr schnell erfolgen und dass das System besonders günstig sein«, so Jonas Stenzel. Anwendungsfälle sehen die Forschenden unter anderem auch in der Entsorgung, beispielsweise bei der Abholung von Abfällen oder Elektroschrott.

Das technische Konzept für die Volumenvermessung orientiert sich an einer Lösung zur sensorbasierten Füllstandsmessung von Wertstofftonnen. Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML und die Rhenus Gruppe hatten das System gemeinsam in ihrem Enterprise Lab am Institut entwickelt. Als Sensor dient der Sensing Puck aus dem Silicon Economy-Projekt, ein robuster Low-Cost-Tracker. Er erkennt den Füllstatus eines Containers, löst die Abholung in Eigenregie aus, wenn dieser voll ist, und macht damit Leerfahrten überflüssig. Die Lösung befindet sich bereits im kommerziellen Einsatz: Sowohl die Software zur Tourenplanung als auch die Referenzimplementierung sind seit kurzem als Open Source im Repository der Open Logistics Foundation frei verfügbar.

Die Forschenden denken die Wertstofftonne in ihrem Use Case nun groß: »Mit der schon bewährten Low-Cost-Sensorik messen wir das Freivolumen im Lkw und schließen so auf den Füllgrad«, erklärt Jonas Stenzel. Am Fraunhofer IML haben bereits erste Versuche zur Bestimmung des Freiraums stattgefunden. Dazu haben die Forschenden Container mit Sensoren ausgestattet. Pro Nahverkehrs-Lkw, so die Berechnungen, reichen fünf bis sechs Sensoren aus. Der Stückpreis eines Sensors liegt bei 5 Euro, hinzu kommen Verkabelung, Microcontroller, Funkschnittstelle, Akku, so dass sich die Hardwarekosten pro Lkw auf 200 Euro belaufen. Der Test mit einem Unternehmen befindet sich in der Vorbereitung.

Use Case 2: Wie groß ist das Packstück?

Im zweiten Use Case zur Volumenvermessung steht das Packstück im Mittelpunkt. Insbesondere im Hub-to-Hub-Verkehr geht es darum, die Packstückabmessungen vor der Beladung zu ermitteln und mit dem freien Laderaum abzugleichen. »Nur wenn ein Spediteur auch die Abmessungen seiner Fracht genau kennt, kann er den Lkw richtig auslasten«, weiß Lea Schmitz, Entwicklerin im Projekt. Für Unternehmen ist es dabei von besonderer Bedeutung, dass nicht jedes Packstück einzeln vermessen werden muss, sondern eine komplette Ladung auf einmal erfasst werden kann. Auch hier kommen 3D-Sensoren zum Einsatz. Zwar gibt es am Markt heute schon sogenannte Sensorgates, die das Volumen von Ladungsträgern wie Paletten vermessen. Doch solche Lösungen sind zum einen teuer und zum anderen erfordern sie in der Regel eine Veränderung des logistischen Prozesses: Denn die Ladungsträger müssen extra durch die Gates geschoben oder unter dem Gate abgestellt werden. Dies ist entweder mit hohen Kosten für mehrere Gates oder mit einem Umweg und Wartezeiten verbunden und damit entsteht ein potenzieller Engpass im Materialfluss.

Ziel der Silicon Economy-Forschenden ist es, den Materialfluss nicht zu stören. So könnten Sensoren beispielsweise an Gabelstaplern angebracht werden, die Packstücke dann sozusagen im Vorbeifahren vermessen. »Damit machen wir Volumenvermessung für die Unternehmen besser und günstiger«, so Jonas Stenzel.

Open Source macht Logistik als Ganzes robuster

Sämtliche Entwicklungen werden, wie in der Silicon Economy üblich, als Open Source zur Verfügung gestellt. Damit soll allen Unternehmen ermöglicht werden, die Komponenten zu nutzen – und so den Gütertransport insgesamt durch Auslastungsoptimierung nachhaltiger und robuster zu machen. 

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