Schluss mit papierbasierten Frachtdokumenten, mehr Digitalisierung beim Güterverkehr sowie bei Logistikdienstleistungen und ein einheitlicher Rechtsrahmen auf EU-Ebene, damit Behörden relevante Güterverkehrsinformationen in elektronischer Form akzeptieren können: Das sind die drei wesentlichen Ziele der eFTI-Verordnung der Europäischen Union, die im Jahr 2020 verabschiedet wurde. »Damit können und sollen Unternehmen Transportinformationen nicht nur untereinander, sondern auch mit Beteiligten in Behörden teilen können«, bringt Jens Leveling, in der Community »Electronic Transport Information« der Silicon Economy verantwortlich für das eFTI-Projekt, die Ziele auf den Punkt. »Für die digitale Transformation des Güterverkehrs in Europa bedeutet die eFTI-Verordnung tatsächlich einen großen Schritt nach vorne. Die Umsetzung wird allen Beteiligten erhebliche Vorteile bringen.«

eCMR goes eFTI

Die eFTI-Architektur besteht aus mehreren Bausteinen. Neben den eFTI-Plattformen gehören dazu auch die eFTI-Gates. Aus Unternehmenssicht sind sowohl die Plattformen als auch die -Gates besonders relevant. So stellen Unternehmen den Behörden Informationen auf einer eigenen Plattform zur Verfügung. Diese ist genau mit einem Gate verbunden, über das dann die gesamte Kommunikation zwischen dem Unternehmen und verschiedenen Behörden läuft. Die Transportinformationen verbleiben dabei auf der Plattform der Unternehmen. Der Abruf ist nur durch Behörden in klar definierten Prüffällen vorgesehen. Die Daten werden lediglich zur Einsicht abgerufen, aber nicht in anderen eFTI-Bausteinen gespeichert. 

Die Forschenden der Silicon Economy entwickeln nun erstmals eine eFTI-Plattform – und zwar auf Basis des eCMR, dem internationalen Transportdokument für den Straßengüterverkehr. »In der Silicon Economy haben wir den Grundstein für die Digitalisierung des Frachtbriefs gelegt und mit verschiedenen Unternehmen erfolgreiche Pilotprojekte durchgeführt. Da lag es nahe, dieses Know-how auch zur Entwicklung einer eFTI-Plattform zu nutzen«, so eFTI-Experte Jens Leveling. 

Konkret werden die Forschenden die Software entwickeln, die Plattform und Gate miteinander verbindet, und die Daten aus dem eCMR in das eFTI-Datenmodell umwandeln. Dabei werden aus den eCMR-Daten nur jene übernommen, die für behördliche Kontrollen von Bedeutung sind, etwa der Start einer Tour, das Ziel oder die Art der Fracht. Die technische Umsetzung ist jedoch nicht so einfach, wie es klingt. Denn bevor die Silicon Economy-Forschenden überhaupt damit starten können, müssen zunächst einmal alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis der Faktenlage und Vorgehensweise herstellen. 

Tablet statt Papier bei Kontrollen

Und so soll das System in der Praxis funktionieren: Mitarbeitende der Behörden, die in den jeweiligen Staaten Kontrollen durchführen – in Deutschland etwa das Bundesamt für Logistik und Mobilität BALM für den Straßengüterverkehr –, können Ladeinformationen des Verkehrsträgers einfach digital auf einem Tablet oder Smartphone abrufen, statt sich durch endlose Papierinformationen zu kämpfen. Die bisherigen papierbasierten Kontrollen kosten viel Zeit, die sich nun beide Parteien sparen: die Behörden und die Fahrenden. Idealerweise müssen die Beamten einen Lkw im Verdachtsfall nicht direkt stoppen, sondern können die Daten bereits im Vorbeifahren prüfen. 

Der Zeitplan für die Umsetzung ist ambitioniert: Laut eFTI-Verordnung müssen die Behörden den Unternehmen den digitalen Service ab August 2026 anbieten. Eine Verpflichtung der Unternehmen, die Informationen elektronisch zu übermitteln, wird es voraussichtlich ab 2029 geben. Derzeit setzen die Behörden alles daran, eine gerade auch für die Unternehmen gute Lösung zu finden, die breit akzeptiert wird. 

Erfolgsfaktor Open Source

Als wichtiger Erfolgsfaktor dafür ist Open Source. »In der Silicon Economy sind wir damit ganz weit vorne: Alle unsere Entwicklungen werden als Open Source veröffentlicht«, so Jens Leveling. »Die Komponenten für den eCMR sind schon seit längerem im Repository der Open Logistics Foundation frei verfügbar und werden von Unternehmen bereits eingesetzt. Und auch die Komponenten für unsere eFTI-Plattform, das steht jetzt schon fest, werden als Open Source unter der Lizenz der Open Logistics Foundation stehen.«

Auch die Europäische Union setzt bei der Umsetzung der eFTI-Verordnung ganz klar auf Open Source: In dem Forschungsprojekt eFTI4EU arbeiten neun EU-Mitgliedsstaaten sowie diverse Organisationen daran, die Softwarearchitektur über Ländergrenzen hinweg zu harmonisieren. Das Projekt startete im vergangenen Sommer, Deutschland ist Projektpartner. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat auch das Fraunhofer IML an Bord geholt: »Damit können wir unsere Forschungsergebnisse nun direkt in den Dienst der großen Sache stellen und haben die Möglichkeit, einen europäischen Standard mitzugestalten«, freut sich Jens Leveling über diese einmalige Chance. 

Ob sich die Open-Source-Lösung wirklich durchsetzt? Für Jens Leveling führt kein Weg daran vorbei: »Die Europäische Union ist beim Thema Open Source schon sehr weit. Jetzt gilt es, auch die Wirtschaft davon zu überzeugen, dass Open Source gerade bei einem grenzüberschreitenden Projekt wie der Umsetzung der eFTI-Plattform absolut sinnvoll ist. Denn Open Source beschleunigt die Entwicklung einer Lösung, da an vielen Stellen viele Menschen daran arbeiten. Außerdem kann jedes Unternehmen die Ergebnisse nutzen. Genau das brauchen wir für eFTI, nur dann wird eFTI ein Erfolg.«