Mit einem innovativen System zur vollautomatisierten Erkennung von Paletten fügen die Forscher des Entwicklungsprojekts »Identifikationsservice basierend auf natürlichen Merkmalen« der Silicon Economy einen weiteren Baustein hinzu. Ein intelligenter Algorithmus erkennt eine Palette unter 500 Millionen ihrer Art allein anhand ihrer Maserung – Barcodes oder RFID-Chips werden so überflüssig.

Identifikationsprozesse von Ladungsträgern sind heute noch sehr zeit- und personalaufwendig, da sie überwiegend auf Barcodes basieren. Forscher der Silicon Economy haben jetzt eine alternative Identifikationsmöglichkeit für Paletten entwickelt, die Identifikationsprozesse erheblich beschleunigt. Wie alle Silicon Economy-Entwicklungen stehen die Fachkomponenten Open Source zur Verfügung. Die Identifizierung von Versandeinheiten im Lager oder entlang der Supply Chain gehört zu den Standardprozessen in der Logistik, für die es heute schon weitgehend einheitliche Lösungen gibt. Allerdings unterstützt die neue Entwicklung aus der Silicon Economy Unternehmen dabei, ihre Prozesse zu optimieren. Denn das neue System ist ebenso nachhaltig wie effizient: Die Zeit für das Drucken und Anbringen von Etiketten entfällt ebenso wie die Zeit zur manuellen Identifizierung der Palette. Mitarbeiter können sich damit auf den Transport der Palette konzentrieren. Durch den Wegfall der nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten und Kosten werden Prozesse im Lager deutlich schneller. Zudem sinkt die Anzahl an Fehllieferungen auf Grund nicht lesbarer Etiketten, die durch häufigen Transport einem hohen Verschleiß unterlegen sind. 

Algorithmus mit einer Viertelmillion Bilder trainiert

Möglich wird das Verfahren durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz. »Denn die Idee, Ladungsträger anhand äußerer Merkmale zu identifizieren, ist tatsächlich nicht neu«, sagt Julian Hinxlage, Product Owner im Projekt »Identifikationsservice basierend auf natürlichen Merkmalen«, kurz »NaturIdent«. »Doch erst jetzt haben wir die technologischen Möglichkeiten im Bereich des Maschinellen Lernens und entsprechend leistungsfähige Hardware, mit denen wir in eine neue Dimension der Objekterkennung eintreten können«. Ausgangspunkt der Überlegungen war, dass eine Palette – wie der Mensch – über einen unverwechselbaren Fingerabdruck verfügt. Diesen generieren die Forscher anhand von Bildern der sechs außenliegenden Palettenfüße der Längsseite, die von der Maserung bis hin zu kleinen Beschädigungen im Holz unterschiedlich sind.

Im Zentrum des Systems steht ein Algorithmus zur Wiedererkennung der Paletten, der mit den vorhandenen Fotos »gefüttert« und trainiert wird. Für das Training des Algorithmus wurden 10 Bilder pro Klotz erstellt, im Normalbetrieb wird nur noch ein Bild pro Klotz benötigt. Ein Algorithmus, mit dem wie bei »NaturIdent« Neuland betreten wird, ist das Ergebnis eines mehrmonatigen Forschungsprozesses. Viele unterschiedliche Ansätze müssen dabei ausprobiert werden, um die Erkennungsraten zu steigern. Inzwischen haben die Wissenschaftler den Proof-of-Concept erbracht, in den sie mit 5.000 selbst erstellten Bildern gestartet sind. Die Re-Identifikationsrate liegt derzeit bei über 99 Prozent. Für eine belastbare Aussage zur letztendlichen Zuverlässigkeit des Algorithmus braucht es allerdings viele weitere Bilddaten mit heterogenen Umgebungsverhältnissen, wie Beleuchtung, Abstand und Winkel.

Mittlerweile liegt die Datenbasis bei über einer Viertelmillion Bildern – dank der Datengenerierung in der Industrie. Denn hier bekommt der Algorithmus regelmäßig neue Nahrung – sprich der Datensatz wird im Tagesgeschäft von Unternehmen vergrößert und erweitert. In den Unternehmen sind auch ältere Paletten unterwegs oder solche, bei denen Palettenfüße getauscht wurden. Zudem sind die Lichtverhältnisse beim Ein- und Auslesen einer Palette noch einmal andere als unter Testbedingungen. Dabei haben zwei große Unternehmen – Robert Bosch GmbH in Karlsruhe und Arvato Systems GmbH in Gütersloh –ihr Interesse an dem Verfahren bereits mit dem Ziel signalisiert, diese Technologie über mehrere Standorte und Lieferrelationen anzuwenden. Zunächst steht jedoch die Bilddatengenerierung in den beiden genannten Standorten im Vordergrund, mit dem der Algorithmus weiter trainiert wird.

Demonstrator verdeutlicht Zuverlässigkeit des Verfahrens

Inzwischen macht ein neuer Demonstrator das Verfahren anschaulich: Das Exponat, das auch auf Messen gezeigt werden soll, besteht aus zwei vertikalen Palettenspeichern – einem für die Warenausgabe und einem für den Wareneingang –, zwei horizontalen Förderstrecken und einem Transportwagen sowie einem Kamerasystem. Aus den Palettenspeichern kann eine beliebige Paletteentnommen und auf die Förderstrecke gezogen werden. Dort wird die Palette von einem Kamerasystem erfasst, die Signatur schnell und zuverlässig erstellt und letztlich beim Empfänger erkannt. 

Das Verfahren funktioniert sowohl innerhalb eines Unternehmens, z.B. im Lager, sowie über mehrere Standorte eines Unternehmens hinweg als auch über die gesamte Supply Chain. »Zu den großen Vorteilen des Verfahrens für Unternehmen gehören die Flexibilität und die geringen Kosten«, so Julian Hinxlage. »So kann das Kamerasystem einfach an der Fördertechnik oder am Lkw-Tor installiert werden. Die Erfassung erfolgt gewissermaßen nebenbei – ohne dass Prozesse umgestellt werden müssen und ohne, dass die Palette vor der Kamera anhalten muss.« 

Neben der Effizienzsteigerung im Unternehmen sind auf der Basis der smarten Palettenidentifizierung auch zahlreiche neue Anwendungen und Geschäftsmodelle denkbar. Neben der Ermittlung von Ladungsträgerkennzahlen wie Umlaufgeschwindigkeit, Schadensquote und Lebensdauer der Palette, kann die Signatur als Seriennummer genutzt werden, um Objekte mit dem Ladungsträger zu verknüpfen. Durch Verheiratung der Palette mit der Ware können weitere Etiketten entfallen.

>> Zum Steckbrief des Projekts »Identifikationsservice basierend auf natürlichen Merkmalen«.