Ein interaktives Tool soll Produktionsplaner jetzt dabei unterstützen, die Kapazitäten von Lieferanten in der Planung besser zu berücksichtigen – was angesichts großer Unsicherheiten und dem drängenden Ruf nach Verfügbarkeit durch Flexibilität immer wichtiger wird. Die Lösungen haben die Forschenden im Silicon Economy-Projekt »Kollaborativer Bedarfsabgleich« entwickelt.

Halbleiter-Engpass, geschlossene Häfen durch die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg: Alle warten auf Rohstoffe und Waren, Lieferengpässe sind zur »Normalität« geworden. Allerdings sind viele Probleme auch hausgemacht: Können Liefertermine nicht eingehalten werden, liegt dies oft an der unzureichenden Abstimmung zwischen Produktionsplanung und Lieferanten über Kapazitäten. »Die Produktionsplanung neigt dazu, von unbegrenzten Lieferantenkapazitäten auszugehen. Das führt dann aber zwangsläufig zu einer unsicheren Programmplanung«, erläutert Emanuel Skubowius vom Fraunhofer IML, Product Owner im Team des Silicon Economy-Projekts »Kollaborativer Bedarfsabgleich«, das Problem. Darüber hinaus ist es aber auch die mangelnde IT-Integration, die Abfragen bei potenziellen Lieferanten erschwert. »IT-Tools oder Standards in der Abstimmung der Produktionsplanung mit den Lieferanten sind noch selten. Die Koordination zwischen Herstellern und Lieferanten erfolgt auf unterschiedlichste Weise – ist aber meistens aber mit einem enormen Zeitaufwand verbunden«, so Skubowius. Mit dem neuen Kollaborationstool »CAD« (kurz für »Collaborative Demand Aligner«) aus dem Silicon Economy-Projekt haben Produktionsplaner nun aber die Möglichkeit, sich mit ihren Lieferanten digital abzustimmen – kurz und knapp, mit maximalem Effekt.

Fürs erste: »Ja« oder »Nein«, aber kein »Vielleicht«!

Das webbasierte Kollaborationstool ist für die mittelfristige Produktionsplanung, je nach Anwendungsfall mit einem Vorlauf von mehreren Wochen bis Monaten, gedacht. Damit eignet es sich insbesondere für den Einsatz in Produktionsnetzwerken. Aber auch in der Konsumgüterindustrie müssen Vertriebsprogramme mit den Lieferanten abgestimmt sein. Sobald der Produktionsplaner eine Anforderung aus der Sales-Abteilung seines Unternehmens erhält, versucht er ein valides Produktionsprogramm zu erarbeiten und zu optimieren. Mit dem »CAD«-Tool kann er nun eine Abfrage bei seinen Lieferanten starten und mögliche Verfügbarkeiten ermitteln. Das Tool arbeitet mit einer einfachen »Ja«/»Nein«-Abfrage. Ein »Vielleicht« gibt es nicht, die Lieferanten müssen sich festlegen. Das erhöht die Belastbarkeit der Aussage, beschleunigt und vereinfacht den Prozess. »Anhand der Auswertung erhält der Produktionsplaner schnell ein erstes, realistisches Bild der Verfügbarkeiten seiner Lieferanten und kann auf dieser Basis sein Produktionsprogramm weiter optimieren«, so Skubowius. »Sagen gleich mehrere Lieferanten ab, ist davon auszugehen, dass die Produktion auf wackeligen Füßen steht. Das Tool gibt so eine schnelle Indikation über die Planungsgüte. Ursachenforschung oder Maßnahmen  wie der persönliche Kontakt folgen dann wie üblich.« 

Potenzial für Kollaboration ist immens

Grundsätzlich bietet die Bedarfs- und Kapazitätsplanung heute ein immenses Potenzial für die Digitalisierung und Algorithmisierung. Für ein Unternehmen allein ist die Entwicklung einer umfassenden software-basierter Lösungen allerdings kaum zu stemmen: zu komplex sind die Prozesse, zu groß ist die Zahl der Akteure, die eingebunden werden müssten, zu viele Ressourcen würden für eine Software gebunden, die am Ende dann doch nicht zu mehr Umsatz führt. »Im Ergebnis würde dann auch wieder eine Insellösung entstehen, die mit Blick auf die Logistikbranche insgesamt nicht zielführend sein kann«, weiß Silicon Economy-Experte Skubowius. Vor diesem Hintergrund bot sich es sich an, den Kapazitäten-Check als Projekt im Rahmen der Silicon Economy anzulegen: Sämtliche Entwicklungen werden hier open source gestellt. Unternehmen stehen sie damit kostenlos und frei zur Verfügung. Je mehr Unternehmen die Lösung nutzen, umso schneller etabliert sie sich – ganz im Sinn der Silicon Economy – als Standard.

Nächster Schritt: die Pilotierung 

Das Projektteam will jetzt auf Partner aus der Industrie zugehen, um die Lösung zu pilotieren. Dazu haben die Forschenden bereits konkrete Anwendungsszenarien entwickelt. Neben Unternehmen aus Konsumgüterindustrie und Handel, wo sich das Rad der Produktneuheiten immer schneller dreht und der Ruf nach Flexibilität immer lauter wird, ist das Tool auch für Unternehmen mit mehreren Produktionsstandorten interessant, die ihre internen Planungsprozesse optimieren wollen.