Alle wesentlichen Informationen auf einen Blick: Das Team des Silicon Economy-Projekts »Digitalisierung der Einfuhrprozesse in der Luftfrachtfrischelogistik« hat für Import-Spediteure an Flughäfen eine standardkonforme Lösung entwickelt, die den Workflow beim Umschlag von verderblichen Waren (»Perishables«) erheblich vereinfacht.

Ob Avocados aus Peru, Steaks aus Argentinien oder Rosen aus Kenia: Der Import solcher verderblichen Waren bedeutet jede Menge Arbeit für die sogenannten Import-Agenten. Sie sind es, die an Flughäfen die Fracht- und Lieferdokumente prüfen und bearbeiten, die Einhaltung länderspezifischer Vorgaben und behördlicher Qualitätsanforderungen sicherstellen und die Ware anmelden. Der Faktor Zeit sitzt ihnen dabei immer im Nacken: Jede Stunde, jeder Tag, den verderbliche Waren am Flughafen „festsitzen“, kostet Frische – und damit Geld. Oft jedoch müssen Import-Agenten wichtigen Daten und Informationen aus den Herkunftsländern der Waren hinterherlaufen. Genau bei diesem Problem hat das Entwicklungsprojekt »Digitalisierung der Einfuhrprozesse in der Luftfrachtfrischelogistik«, kurz »PERImport«, im Rahmen der Silicon Economy angesetzt.

Blumentransport Lufthansa Cargo AG
Blumentransport durch die Lufthansa Cargo AG.

Vor gut einem Jahr hatte Forschende am Fraunhofer IML eine Anfrage der Digitalisierungsgruppe ACDC, kurz für Air Cargo Digitisation Catalyst, aus der Air Cargo Community des Frankfurter Flughafens erreicht. »Die Aufgabe lautete: Wie kann man den Workflow für den Import-Spediteur vereinfachen?«, so Emanuel Skubowius von »PERImport«. Allein am Frankfurter Flughafen werden im Perishable Center Frankfurt (PCF) pro Jahr 120.000 Tonnen verderbliche Ware gelagert und umgeschlagen. Skubowius: »Zwar sind alle Prozesse beim Import verderblicher Waren Routineprozesse. Doch: Sämtliche Routinen – man kann es nicht anders sagen – sind heute noch ineffizient.«

Zum einen sind notwendige Begleitdokumente zu einem großen Teil nur in analoger Form vorhanden, zum anderen ist die Infrastruktur für Importprozesse extrem zergliedert. Die Folge: Um Waren anmelden zu können, muss sich der Import-Spediteur Informationen aus unterschiedlichsten Quellen zusammensuchen – von der E-Mail bis zum Fax. Pro Sendung liegen – über die eigentlichen Dokumente hinaus – mitunter ein Dutzend Updates in Form von elektronischen Nachrichten oder Fernkopien vor, in denen Partner aus den Herkunftsländern der Waren Zusatzerklärungen geltend machen, auf Sonderfälle verweisen oder Störungen melden. »Unsere Idee war es nun, ein Dashboard zu entwickeln, das dem Import-Agenten sämtliche Informationen anzeigt, die er benötigt, um Waren vor Ort anzunehmen und weiterzuschicken. Die Zeiten der E-Mail hier und des Faxes da sollten endlich der Vergangenheit angehören«, so Skubowius´ Teamkollege Oliver Ditz aus dem Silicon-Economy-Projekt. Die Hauptarbeit für die Informationen, die im Dashboard liegen, wird dabei noch vor dem Abflug im Herkunftsland geleistet.

Standardkonforme Lösung

Das Forschendenteam der Silicon Economy baute in rund einem halben Jahr eine Lösung, damit Abfertigungsprozesse nun weitgehend papierunabhängig erfolgen können. Eine wesentliche Aufgabe lag darin, die Lösung standardkonform zu gestalten. Dazu gehörte die Anbindung des Dashboards an die TRACES-Plattform der Europäischen Union. Die Online-Plattform wird in etwa 90 Ländern weltweit für die Ausstellung von Gesundheits- und Pflanzengesundheitszeugnissen sowie von amtlichen Dokumenten verwendet, die für die Einfuhr, Ausfuhr und den Handel von Tieren und Waren erforderlich sind. Das Ziel von TRACES besteht darin, den Zertifizierungsprozess und alle damit verbundenen Einreiseverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Gleichzeitig wurden die Daten im Einklang mit dem Data-Sharing-Standard ONE Record der International Air Transport Association (IATA) aufbereitet.

Die im Projekt entwickelten Komponenten erprobte und testete das Team kontinuierlich u.a. zusammen mit den Praxispartnern Sotracom Air Transit, Lufthansa Cargo AG sowie dem Perishable Center Frankfurt. Sotracom, ein international tätiger Import Spediteur mit Head Office in Paris und Standorten in Deutschland, Belgien und Spanien, besitzt eine jahrzehntelange Expertise beim Import und Export von leicht verderblichen Gütern. Pro Jahr zeichnen die Agenturen von Sotracom weltweit für die Abfertigung von 150.000 Tonnen Gütern verantwortlich. Das Unternehmen sitzt auch am Frankfurter Flughafen. Am (fiktiven) Beispiel einer Ladung von Rosen aus Kenia spielten die Forschenden und die Import-Agenten von Sotracom durch, wie die Waren aus dem Flugzeug weiterverteilt werden. Das Ergebnis: »Unsere Software funktioniert und ist jetzt hungrig nach Daten«, schmunzeln die Silicon-Economy-Experten Ditz und Skubowius. 

Die Lösung wird in der Branche breit unterstützt: »Alle beteiligten Partner finden sie wichtig. Letztlich profitieren ja alle davon, wenn sich der Gesamtprozess verbessert«, so Oliver Ditz. Insbesondere auch der Open Source-Ansatz der Forschenden, geprägt durch die Silicon Economy, sorgt für die notwendige Akzeptanz: Die Lösung ist transparent, offen und erweiterbar. Damit wird sie erheblich zur weiteren Standardisierung von Import-Prozessen beigetragen.

Nächste Dimension der Digitalisierung

Die Logistik-Datenplattform logistics.cloud, entstanden aus einem gemeinsamen Projekt großer, in Deutschland ansässiger Industriebetriebe und globaler Logistikunternehmen wie Schaeffler, Schenker und Lufthansa Cargo, hat bereits Interesse an der Lösung signalisiert und will sie Import-Agenten zur Verfügung stellen. Ditz und Skubowius: »Die Zeichen, dass das Dashboard demnächst bei vielen Import-Spediteuren in den Betrieb überführt wird, stehen gut!« Das gilt nicht nur für den Frankfurter Flughafen, sondern auch für alle anderen Airports zumindest in Europa. Denn die Prozesse laufen aufgrund von Behörden festgelegten Vorgaben überall weitgehend ähnlich ab.

Auch an Ausbaustufen haben die beiden Silicon-Economy-Forscher schon gedacht: »Noch cleverer wäre es ja, wenn die Informationen beim Abflug grundsätzlich nicht mehr nur mit der physischen Ware, sondern parallel digital übermittelt würden – im besten Fall natürlich nur noch auf dem digitalen Weg. Dann kann der Import-Agent den kompletten Prozess über ein Tablet abbilden. Das wäre dann die nächste Dimension der Digitalisierung.«

Foto: Patrick Kuschfeld/Lufthansa Cargo AG, Illustration: Fraunhofer IML