Im Silicon Economy-Entwicklungsprojekt Smart Waggon Inspector haben die Forschenden eine App entwickelt, die die Digitalisierung des Prüfprozesses bei der Ankunft beladener Güterzüge in Terminals des Kombinierten Verkehrs (KV) vorantreibt. 

Werden an KV-Terminals heute Container oder andere Ladeeinheiten vom Zug auf das Binnenschiff verladen, läuft ein Wagenprüfer den gesamten Zug ab und macht sich auf einer Ladeliste handschriftliche Notizen. Diese »Daten« müssen wiederum manuell in das Terminal Operating System oder andere Systeme übertragen werden, um bei der späteren Entladung des Zuges zur Verfügung zu stehen. Ein solcher Prüfprozess passt nicht mehr in die heutige Zeit, sagte sich das Forschenden-Team um Lara Hövener und leitete die Digitalisierung des Prozesses mit der Entwicklung der Smart Waggon Inspector-App, kurz SWIn-App, ein. Die Prüf-App für Smartphone und Tablet ermöglicht es den Wagenprüfern, sämtliche Informationen digital zu erfassen. Bereits während die Daten am Zug aufgenommen werden, werden sie in einer Datenbank gespeichert. Über verschiedene Schnittstellen können die Systeme am Terminal dann auf diese Daten zugreifen. »Damit schaffen wir die Basis für eine schnelle Übertragung der Daten«, sagt Lara Hövener, Product Owner der Lösung. »Das bedeutet eine enorme Zeitersparnis gegenüber der manuellen Erfassung und eine Reduktion von Fehlern.«

Herausforderung OCR

Der Prozess der Datenerfassung ist bewusst einfach gehalten: Will der Wagenprüfer seiner Ladeliste einen neuen Wagen bzw. Container hinzufügen, geht er auf die Scanfunktion in der App und macht ein Foto der Nummern. Containernummern bestehen in der Regel aus zwölf Zeichen (eine Kombination von Zahlen und Buchstaben), Wagennummern aus 13 Ziffern. Bei der manuellen Erfassung dieser langen Nummer, dem Abschreiben oder auch dem Abtippen, ist die Gefahr eines Übertragungsfehlers hoch. Deshalb setzen die Forschenden auf die fortschrittliche OCR-Technologie. Allerdings gehört die optische Texterkennung auch zu den Herausforderungen im Projekt: Die Prüfer haben oft keine Möglichkeit, eine Containernummer gut erkennbar aufs Foto zu bekommen. »Wenn man vom Boden aus bis zu 3,50 Meter nach oben fotografieren muss, ist der Winkel einfach schlecht und die Nummer erscheint verzerrt«, erklärt Lara Hövener, warum das Verfahren beim Smart Waggon Inspector anfänglich nicht 100-prozentig funktionierte. Die Algorithmen lernen jedoch mit jedem neuen Bild und jedem neuen Zug dazu, sodass die Erkennungsquote kontinuierlich steigt. Zusätzlich haben die Entwicklerinnen und Entwickler noch einen automatischen Check eingebaut: Dem Prüfer wird in der App direkt angezeigt, ob die gesamte Nummer valide ist.

Wichtige Funktionalitäten

Vier wichtige Schritte im Wagenprüfprozess sind der Abgleich der Wagen- und Containernummern sowie die Erfassung von Schäden, von Plomben und von Gefahrgut:

  • Wagen- und Containernummern werden per OCR erkannt und auf das Device übertragen. Ein zusätzlicher Algorithmus prüft, ob die letzte Ziffer auch der richtigen Prüfziffer entspricht.
  • Schäden können sowohl an den Wagen als auch bei den Ladeeinheiten auftreten. In der SWIn-App kann der Wagenprüfer diese nun mit Kommentaren dokumentieren oder auch Fotos zur späteren Nachverfolgung hochladen. 
  • Pro Ladeeinheit können bis zu zehn Plomben erfasst und gespeichert werden. 
  • Wird in einer Ladeeinheit Gefahrgut transportiert, können die Gefahrgutzeichen auf allen vier Seiten der Ladeeinheit erfasst werden.

Entwicklung mit der Industrie

Sparringspartner bei der Entwicklung der App war der Logistikdienstleister Contargo mit Sitz in Duisburg, das den Containerverkehr zwischen den Westhäfen, den deutschen Nordseehäfen und dem europäischen Hinterland integriert. Das Unternehmen betreibt mit über 1.000 Mitarbeitenden mehr als 20 Containerterminals in fünf Ländern, darunter eines auch am Stammsitz im Duisburger Hafen. »Contargo hat uns die Möglichkeit gegeben, uns den Prüfprozess vor Ort genau anzusehen«, so Lara Hövener. »Auch während der Entwicklung der App haben uns die Mitarbeitenden immer wieder wertvolles Feedback gegeben. So konnten wir die Praxistauglichkeit der Lösung von vorneherein sicherstellen.«

Nächster Schritt: Parallelprozess

Zu den Basisfunktionen der App sollen schon bald weitere Funktionen hinzukommen. Dazu gehört die Parallelisierung des Prüfprozesses. Aktuell kontrolliert ein einzelner Wagenprüfer einen kompletten Zug, läuft also auf der einen Seite des Zugs hoch und auf der anderen Seite wieder zurück, um auch alle Schäden an Wagen und Containern entdecken zu können. »Unsere Idee ist es, dass zwei Wagenprüfer parallel arbeiten und am selben Ende des Zugs starten«, so Lara Hövener. »Wenn von beiden Seiten geprüft werden kann, halbiert sich die Prüfzeit.«

Die Basisversion der App wird in Kürze als Open Source im Open Logistics Repository der Open Logistics Foundation veröffentlicht. Forschende am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML nutzen die Software bereits für ein Projekt zur Digitalisierung der Wagentechnischen Untersuchung bei der Prüfung von Zügen nach der Beladung. Der Code steht aber auch Unternehmen zur Nutzung und Weiterentwicklung zur Verfügung.