Die Vereinten Nationen haben mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (UN-Nachhaltigkeitsziele) einen weltweit anerkannten Rahmen definiert, um ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren. Auch die Forschung zur »Silicon Economy« ist an diesen Zielen ausgerichtet. Die Logistik als Branche, Anwendung und Wissenschaft im Allgemeinen und die »Silicon Economy« im Speziellen adressieren ganz konkret die Ziele »Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum«, »Industrie, Innovation und Infrastruktur« und »Nachhaltiger Konsum und Produktion«. 

Das übergeordnete Ziel der »Silicon Economy« ist es, ein föderiertes und dezentrales (Plattformen-)Ökosystem für datengetriebene und auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Anwendungen als Gegenentwurf zu monopolistischen Plattformen für die Logistik zu schaffen. Eine solche Plattformökonomie ist das Wirtschaftskonzept der Zukunft: Nur so lassen sich die immer komplexer werdenden Lieferketten beherrschen. Mehr denn je gilt es dabei, die Potenziale einer »Twin Transition« – das heißt eines gleichzeitig und synergistisch verwobenen grünen und digitalen Wandels – zu heben. Der Handlungsdruck für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft hat sich hier in den vergangenen Jahren deutlich erhöht.

Effizienz reduziert Umweltbelastungen

Der ökonomische und ökologische Nutzen der Plattformökonomie entsteht durch die zielgerichtete Komposition von unterschiedlichen Diensten diverser Plattformen in (hybriden) horizontalen Wertschöpfungsnetzwerken sowie durch das gleichzeitige (Ver-)Teilen von Daten dieser Netzwerke über Datenräume. Konkret heißt dies, dass durch die Verbindung von Plattformen und ihren Daten und Diensten höherwertige oder auch neue Dienstleistungen für die Nutzenden – also die Kunden – zusammengestellt werden. Wesentliche Potenziale für eine Verbesserung im ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Sinn liegen dabei in der Steigerung der Effizienz von Wertschöpfungsnetzwerken. Mit ihr geht die Reduzierung von Umweltbelastungen einher, beispielsweise über die intelligente Bündelung von Transporten. Eine Effizienzsteigerung kann sich aber insbesondere auch durch eine Reduzierung von unproduktiven Planungs- und Organisationsaufwänden auszeichnen. Dies beinhaltet wiederum ein signifikantes ökonomisches Potenzial im Sinne einer Kostenersparnis. 

Zudem lässt sich über eine hohe Nutzerfreundlichkeit (Usability) die Verbreitung und Akzeptanz von neuen Lösungen (Software, Hardware, aber auch Services bzw. Dienstleistungen) besonders beschleunigen. Dies gilt sowohl für den B2C- als auch für den B2B-Bereich. Weiterhin gilt es, die Teilhabe von möglichst vielen (idealerweise allen) Unternehmen an neuen Lösungen und Märkten zu unterstützen. Einstiegshürden hinsichtlich der Nutzung neuer Technologien und des Eintritts in neue Geschäftsfelder müssen reduziert werden, um einen fairen Wettbewerb unabhängig von der Unternehmensgröße zu gewährleisten. 

Ein Schwerpunkt der Entwicklung von Software- und Hardware-Komponenten für die Silicon Economy, die im Übrigen sämtlich als Open Source veröffentlicht werden und der Industrie frei zur Nutzung und Weiterentwicklung zur Verfügung stehen, liegt im Bereich Transport – dort, wo die Nachhaltigkeit auch besonders gefordert ist und wo sich kurz und mittelfristig sichtbare Erfolge erzielen lassen. 

Algorithmen lasten Lkw besser aus 

Ein Beispiel dafür ist die Volumenvermessung von Gütern. Derzeit ist die Verladung von Paketen und Gütern in der Logistik noch ein stark manueller Prozess. Daher findet kein unmittelbarer Rückfluss zwischen dem aktuellen Zustand (z. B. dem Füllgrad des Lkw) und dem planenden System statt. In der Folge treten häufig suboptimale (Volumen-)Nutzungsgrade von Lkw auf oder aber Ladungsträger können nicht mehr verladen werden (z. B. aufgrund vorher nicht erfasster Palettenüberstände oder fehlender Stapelfähigkeit). Auch hieraus folgen Ineffizienzen – etwa in Form von (manuellen) Planungs- und Dispositionsaufwänden bis hin zu Störungen von Wertschöpfungsketten, da ein Teil der Ladung nicht mehr mitgenommen werden kann. 

Zwar gibt es sensorische Lösungen in Form sogenannter »Gates«, die mit einer Vielzahl von Sensoren (in der Regel Laserscanner) das Volumen von Ladungsträgern wie Paletten vermessen. Doch diese sind zum einen teuer und zum anderen erfordern sie in der Regel eine Veränderung des logistischen Prozesses, nämlich einen expliziten Transport von Ladungsträgern durch die Gates. Dies ist jedoch häufig ein Umweg bzw. stellt einen potenziellen Engpass im Materialfluss dar. 

Für die Vermessung des aktuellen Beladezustands eines Lkw gibt es derzeit keine adäquate Lösung. State-of-the-Art-KI-Algorithmen jedoch würden mit günstigen Sensoren aus dem IoT-Bereich oder als Mehrwert von bereits vorhandenen Sensoren von Robotern – Kameras oder 3D-Sensoren – eine Vermessung des Ist-Zustands ohne Hardware-Mehraufwand ermöglichen. Diese Daten können zur Prozessplanung eingesetzt werden und so die Nachhaltigkeit und Robustheit des Gütertransports durch Auslastungsoptimierung signifikant verbessern. 

Smarte Kameras optimieren Transportprozesse

Am Beispiel des Trackings logistischer Objekte lässt ebenfalls gut sehen, wie Optimierung von Prozessendurch KI die Logistik nachhaltiger macht. Die Grundlage für jede Optimierung ist Transparenz über den Prozesszustand. Die kamerabasierte Lokalisierung von logistischen Objekten und Transporteinheiten mittels KI-Algorithmen bietet eine entscheidende Datengrundlage für die autonome Prozessoptimierung. Heutige Real-Time Locating Systems (RTLS) operieren mit funkbasierten Modulen und eignen sich damit in der Regel aus verschiedenen Gründen nicht für den Einsatz in der Transportlogistik: Die Kosten je Funkmodul sowie ein hoher manueller Aufwand für die Installation und Entnahme dieses Moduls an der Ladung verhindern einen wirtschaftlichen Einsatz eines solchen Systems (bei Spediteuren). 

Mit einem kamerabasierten Tracking ist es jedoch möglich, sowohl Waren als auch logistische Transportmittel wie Gabelstapler, Roboter und Hubwagen ohne weitere Identifikatoren zu verfolgen. Moderne Kamerasysteme bieten die Möglichkeit, Bilder direkt auf dem Gerät auszuwerten. Damit werden nur noch die notwendigen Informationen aus dem Bild weitergegeben und Persönlichkeitsrechte von Mitarbeitern nicht berührt. Daher ist die Erforschung von lokal ausführbaren Algorithmen entscheidend für den breiten Einsatz in der Logistik. Gerade im KI-Kontext kommt dies nun nicht nur dem Datenschutzaspekt, sondern auch der Nachhaltigkeit zugute. Bei skalierenden Anwendungen wie KI-Kameras und mobilen Robotern kommt der Energieeffizienz der Algorithmen eine bedeutende Rolle zu, da die entsprechenden Modelle auf kleinsten Recheneinheiten mit sehr niedrigem Stromverbrauch zum Einsatz kommen. Vor diesem Hintergrund sind im Vorhaben Silicon Economy bereits die Entwicklungsprojekte »Smarte Kamera« sowie »Yard LENSE« gestartet.