Vier junge Logistikforscher aus Dortmund liefern mit der Integration eines digitalen Palettenscheins in ihre neuartige Plattform zum Ladungsträgermanagement jetzt eine Blaupause zur In-dustrialisierung von Open Source-Software aus der »Silicon Economy«. Das Team um Philipp Wrycza hatte seine Lösung aus einem vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML und der European Pallet Association e.V. (EPAL) getragenen Enterprise Lab heraus entwickelt und befindet sich damit aktuell auf dem Sprung in die Selbstständigkeit. Durch den sogenannten »e-Palettenschein« aus dem Umsetzungsprojekt »Silicon Economy Logistics Ecosystem« konnten die Gründer ihre Lösung nun um eine neue, innovative Funktionalität ergänzen, in deren Entwicklung sie sonst mehrere Monate Zeit hätten investieren müssen. »Die Verwendung der Open Source-Komponente bringt sowohl unser Unternehmen als auch unsere Plattform ein großes Stück nach vorne«, freut sich Philipp Wrycza, im Team der Ausgründer verantwortlich für Strategie und Vertrieb.

Die jungen Wissenschaftler treten an, das Management jener Milliarden Ladungsträger zu digitalisieren, die die Logistik weltweit am Laufen halten. Paletten, Behälter und Transportgestelle werden unternehmensübergreifend im Mehrwegverfahren verwendet und getauscht. Alleine in Europa befinden sich verschiedenen Erhebungen zufolge regelmäßig rund 600 Millionen Europaletten, 135 Millionen Automotive Kleinladungsträger (KLT), 600 Millionen Steigen für Obst und Gemüse sowie 700 Millionen Fleisch- und Brotkisten im Umlauf. Die Nachverfolgung, Verbuchung und Bestandsverwaltung dieser Ladungsträger erfolgt heute überwiegend noch händisch oder über spezielle technische Systeme, die aufwändig in die jeweilige IT-Landschaft eines Unternehmens integriert werden müssen. Die Lösung der Dortmunder Forscher schafft nun – gebündelt in einer einfach zu bedienenden App – unabhängig von System oder Ort eine Transparenz über alle Bewegungen der Ladungsträger in Echtzeit. Verknüpfungsmöglichkeiten zu der eindeutigen Nummer (Ladungsträger-ID) eines Ladungsträgers oder die Anbindung von IoT-Devices eröffnen weitere Optimierungspotenziale für das Ladungsträgermanagement. Spannend ist dies vor allem für kleine und mittelständische Logistikunternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern und einem entsprechenden Umsatz.

Die Ausgründung wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit einem EXIST-Gründerstipendium unterstützt, gewährt zum 1. März 2021. Dann wird auch der Name des neuen Start-ups offiziell bekannt gegeben.

Eine Plattform neuester Prägung

Mit der Lösung der Nachwuchs-Unternehmer entsteht im Ergebnis eine technologisch hoch entwickelte, cloudbasierte Plattform neuester Prägung, die auf dem Zukunftsbild der Silicon Economy basiert. Dazu gehört auch, dass in der App jede Menge Künstliche Intelligenz (KI) steckt. KI-Algorithmen in der Bilderkennung (Vision Learning) erfassen beispielsweise blitzschnell Ladungsträger-IDs, ermitteln den Typ eines Ladungsträgers und zählen die Ladungsträger. Insbesondere der »e-Palettenschein« steht beispielhaft für die unternehmensübergreifende Vernetzung sowie die Integration unterschiedlicher Partner: »Wenn zwei Unternehmen ihre Palettenbestände über die App abgleichen, prüft das System automatisch, ob durch die Einbeziehung anderer App-Nutzer möglicherweise vorteilhaftere Tauschprozesse in Gang gesetzt werden können«, so Philipp Wrycza. »So lassen sich dann etwa Leerfahrten vermeiden.«

Dass die jungen Forscher die Open Source-Komponenten in ihr Projekt integrieren konnten, ist nicht nur ein Glücksfall. Es ist das Prinzip der Silicon Economy: »Sämtliche Komponenten, die wir im Rahmen des Vorhabens für die Plattformökonomie der Zukunft entwickeln, stehen Unternehmen als Open Source kostenlos zur Verfügung«, erklärt Dr. Michael Schmidt, fachlicher Leiter des vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur geförderten Umsetzungsprojekts »Silicon Economy Logistics Ecosystem«. Nicht nur für (angehende) Start-ups ist die Nutzung von Open Source-Hardware und -Software bares Geld wert. Das Angebot richtet sich auch an bestehende Unternehmen, sowohl an kleine und mittelständische als auch an Konzerne. Interessierte Unternehmen haben daher die Möglichkeit, sich in einer neuen Anwender-Community an der Gestaltung der Komponenten zu beteiligen – sei es in Entwicklungsprojekten gemeinsam mit der Forschung, sei es in Kooperationsprojekten von Unternehmen.