Auf dem Weg zur vollständig flexiblen Logistik sind Autonomie in der Entscheidungsfindung und die Selbstorganisation des Materialflusses nicht mehr wegzudenken. Es entstehen neue, hochdynamische Klassen von Transportfahrzeugen und Transportrobotern, die neue Herausforderungen an die dezentrale Steuerung stellen. Heute ist praktisch kaum ein Fahrerloses Transportfahrzeug (FTF) bzw. Transportroboter voll autonom. Die wenigen autonomen Systeme sind proprietär und bieten keine Standardschnittstelle. Vor diesem Hintergrund geht es im Projekt »OpenDynamics« darum, eine neue Klasse von FTF bzw. Robotern zu entwickeln, die tatsächlich autonom agieren. Sämtliche Komponenten werden Open Source veröffentlicht. Damit folgt auch das Projekt »OpenDynamics« der Leitidee der Silicon Economy, Unternehmen Software und Hardware für logistische Standardprozesse und -aufgaben – so genannte Commodities, die nicht marktdifferenzierend sind – zur Verfügung zu stellen.
Vier Teilprojekte
Im Projekt »OpenDynamics« gibt es vier Teilprojekte: Im Bereich Software sind dies Navigation & Simulation sowie Lokalisierung & Sensorik, im Bereich Hardware zwei unterschiedliche Fahrzeug- bzw. Roboterplattformen – eine für den Paletten-, eine für den KLT-/Pakettransport.
+ Navigation & Simulation
In den Fokus der Automatisierung hochkomplexer Systeme rückt die Anwendung von Künstlicher Intelligenz. Mit neuartigen Simulationen bieten sich dabei vielfältige Möglichkeiten: Durch eine starkparallele Verarbeitung moderner Grafikkarten können hochkomplexe Vorgänge in Echtzeit simuliert werden – auch physikalische – und bilden damit die Grundlage für eine neue Klasse von Algorithmen – der »Simulationsbasierten KI«.
Simulationen verwenden Modelle zur Abstraktion. Für die Entwicklung von solchen hochdynamischen Systemen wird das Verhalten der simulierten mit dem der realen Transportfahrzeugen in einer speziellen, besonders geeigneten Testumgebung abgeglichen und so das Simulationsmodell optimiert. Reduziert sich die Differenz von Modell und Realität, geht die Simulation in eine Digitale Realität für die KI über und der Roboter wird zum CPS-Zwilling (CPS = Cyber-Physisches System) der Simulation.
Die KI-basierte Simulation dient der beschleunigten Entwicklung von Transportfahrzeugen bzw. -robotern, da diese während der Entwicklungszeit in der Simulation kontinuierlich ohne großen Aufwand an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden können.
Entwicklungen für die Silicon Economy
- Navigation-Toolbox: Analyse und Vergleich unterschiedlicher Verfahren zur Navigation und Steuerung, ggf. Implementierung weiterer, generischer Planungsalgorithmen
- Physikalische Simulationsmodelle für zwei Fahrzeugplattformen
Die Ergebnisse werden sowohl in Simulation als auch auf den realen Fahrzeugplattformen für unterschiedliche Use Cases gezeigt.
+ Sensorik & Lokalisierung
Die Komplexität mobiler Robotersysteme nimmt stetig zu – insbesondere im Hinblick auf die Geschwindigkeit der Systeme sowie auf In-/Outdoor-Anwendungen. Im Projekt werden einzelne Komponenten entwickelt, die allein (»stand alone«) oder in Kombination mit anderen Komponenten eingesetzt werden können. Ein Einsatz in Kombination mit bereits vorhandener OpenSource Software ist dabei ebenfalls möglich (Stichwort: Interoperabilität). Für einige Komponenten wird auf Methoden der künstlichen Intelligenz zurückgegriffen, z. B. zum Detektieren von Objekten, die eine relative Positionierung eines Roboters zu diesen Objekten ermöglichen.
Entwicklungen für die Silicon Economy
Im Ergebnis soll eine Mobile Robot Localisation Toolbox entstehen, die folgende »Werkzeuge« beinhaltet:
- GPSFuser und DGPS Server
- LandmarkDetection (Orientierung an fixen Objekten in der Umgebung eines Roboters, noch in der Entwicklung)
+ Dynamisch stabiler Roboter
Für diese Plattform auf zwei Rädern wird das Fahrprinzip des »inversen Pendels« genutzt. Die Plattform kann kommerziell mit unterschiedlichsten Greiferlösungen zum Halten, Positionieren und Bewegen von Waren ausgestattet werden. Dank der Pendelbewegung kann ein Roboter, der auf der Plattform basiert, Objekte direkt vom Boden anheben und in unterschiedlichen Höhen abgeben. Damit lassen sich auf eine sehr smarte Art und Weise viele intralogistische Aufgabenstellungen bewältigen, für die man bislang noch mehrere Roboter einsetzen muss. Damit verbessert sich das Handling von Waren und Pickrates lassen sich so maximieren. In der Plattform wird die Navigations- und Lokalierungssoftware aus dem Projekt verwendet.
Der Bauplan für die erste Stufe der Plattform wird open source gestellt. Die Plattform kann somit als Grundlage für die Erweiterung hin zu Use-Case spezifischen Anwendungen durch Unternehmen genutzt werden.
+ Hochdynamischer Outdoor-Roboter
Viele Fahrerlose Transportfahrzeuge werden heutzutage für geringe Dynamik ausgelegt und sind entweder für den Innen- oder den Außenbereich von Betriebsgeländen konzipiert. Sie weisen entweder hohe Leistungsfähigkeit, Dynamik oder Flexibilität auf. Alle drei Eigenschaften zusammen sind bisher kaum in einzelnen fahrerlosen Transportfahrzeug realisiert. Im Projekt ist nun ein Fahrerloses Transportfahrzeug entwickelt worden, das große Lasten im Format einer Palette mit einer hohen Dynamik omnidirektional transportieren kann und das mit bis zu 14 m/s. Es ist darauf ausgelegt, die geschützte und definierte Umgebung von Lagerhallen zu verlassen und auf dem jeweiligen Betriebsgelände zu agieren.
Die Navigation des Fahrzeugs funktioniert mit Hilfe der Lokalisierungs-Toolbox nahtlos am Übergang zwischen Innen- und Außenbereich. Die Realisierung erfolgt über umgebungsbasierte und funkbasierte Lokalisierungsalgorithmen. Das Fahrzeug setzt auf den Forschungsergebnissen und der Fahrzeugbasis des LoadRunner® auf.
Für die Entwicklung des Fahrzeugsteuerung wird hierbei stark auf die Anwendung von Künstlicher Intelligenz für die Realisierung gesetzt (siehe Navigation & Simulation).

Kontakt:
Dr.-Ing. Sören Kerner, soeren.kerner@iml.fraunhofer.de
Dipl.-Ing. Guido Follert, guido.follert@iml.fraunhofer.de